„Post und Politik in Bayern von 1808 bis 1850, der Weg der königlich bayerischen Staatspost in den Deutsch - Österreichischen Postverein"

Soeben ist die Dissertation von Karin Amtmann mit dem Titel „Post und Politik in Bayern von 1808 bis 1850, der Weg der kgl. bayerischen Staatspost in den DeutschÖsterreichischen Postverein" erschienen. (Universität Bamberg, Betreuung Prof. Karl Möckl, erschienen im Utz Verlag, 387 Seiten 39 €) Die Arbeit wurde mit dem Otto Meyer Promotionspreis der Otto Meyer und Elisabeth Roth Stiftung ausgezeichnet.

Der Titel hantiert mit vagen Begriffen. Post und Politik stehen nach den bisherigen Erfahrungen in einem vielschichtigen und manchmal durchaus kontroversen Verhältnis. Deshalb verwundern die Sätze der Einleitung; „Freilich war die Politik ein wichtiger historischer Wegbegleiter der Post; sie hat die Post in wesentlichen Punkten geschaffen, genutzt, ausgebaut und weiter entwickelt". Man hätte wohl besser daran getan, der Post mehr eigenständiges Gewicht zu verleihen, da das Kommunikationsbedürfnis von Staat und Gesellschaft politische Entscheidungen durchaus initiieren und bestimmen konnte. Aber diese formulierte Auffassung steht symptomatisch für den Stil der Arbeit: nach Möglichkeit keine klare Stellung beziehen und sich auf den Boden eines braven Referats zurückziehen.

So weit reicht allerdings die Festlegung: „Daher ist es notwendig und lohnend, die Geschichte der Post aus einem mehr allgemeinen und nicht nur aus dem oft etwas verengten Blickwinkel der Kommunikationsgeschichte und der „reinen" Postgeschichte (Philatelie oder Regionalgeschichte) zu betreiben". Dass die Philatelie mit „reiner Postgeschichte" tituliert wird könnte erfreuen, ist aber offensichtlich wenig schmeichelhaft gemeint. Jedenfalls kann mit diesem Satz die Beschäftigung mit der (komplizierten) Postpraxis beiseite gelegt werden, was sich schliesslich in den Kapitel „Post und Öffentlichkeit" bzw. „Post und Wirtschaft" rächt.

In der Einleitung wird vollmundig von den spezifischen Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen der bayerischen Post und der bayerischen Politik gesprochen, die ebenso wenig befriedigend eingelöst werden wie „der Hintergrund der deutschen und europäischen Geschichte der ersten Hälfte des 19 Jhs." Den geneigten Lesern wird meine Dissertation von 1991 „Bayrische Postgeschichte von 1806 - 1870" bekannt sein und sie werden, ebenso wie ich, in dieser Arbeit eine gründliche Korrektur der (zahlreichen) Fehler meines damaligen Forschungsstandes erwarten. Aber weit gefehlt. Vielmehr grenzt sich Frau Amtmann (S. 20) mit dem Satz davon ab: „Es ist ausdrücklich keine weitere bayerische Postgeschichte intendiert" (was ist es sonst?), und um sich die Auseinandersetzung mit meiner Arbeit zu sparen, wird bemerkt (S. 28) Das Buch (1991) „geht im wesentlichen nur bis zum Jahr 1842 und verfolgt vor allem auch einen philatelistischen Zweck, nämlich die Entschlüsselung der Postvermerke auf Briefen, da heute auch Briefe aus der Zeit der Vorphilatelie ein umfangreiches Sammelgebiet geworden sind."

Warum Frau Amtmann dann über weite Strecken sich genötigt sieht auf entsprechende Kapitel und Quellen zu verweisen, ist schwer vermittelbar. Dass Historiker, sobald sie einen Brief (sogenannte Realien) sehen, schnell das Weite suchen, sind wir ja gewohnt. Die Archäologie kann davon ebenfalls ein Lied singen. Dass aber derart konsequent jeder Blick auf die praktische Seite der Post abgelehnt wird, quasi als Sammler-Folklore abgetan wird, und der Brief als eigene Quellenkategorie der Postgeschichte negiert wird, ist ein Manko der Arbeit und kein Vorzug. In dem Kapitel „Die Zerstückelung des Postwesens während der Zeit des Rheinbundes" wird die Entstehungsgeschichte der bayerischen Staatspost aus der Literatur (garniert mit Aktenzitaten) referiert. Dabei ist die für den Zusammenhang von Post und Politik aufschlussreiche Situation in Tirol und den ehemals vorderösterreichischen Landen nur zwei Fussnoten wert (S. 50 Anm. 95, S. 87 Anm. 1). Quellen, die belegen, dass die überfallartige Verstaatlichung im Jahre 1808 durch die Spionagetätigkeit taxisscher Postmeister veranlasst war, werden nicht verarbeitet.

Die Autorin kommt natürlich nicht umhin, wenigstens einige Sätze über die Postgebühren zu verlieren (u.a. S. 88 f.) Sie sind aber sehr vage gehalten und lassen erkennen, dass der Unterschied zwischen Porto und franko wenig verinnerlicht wurde. Ihre Behauptung (S. 90) „Auslandsbriefe konnten hingegen nur bis zur Grenze versandt werden, da jedes Postunternehmen seine Gebühren selbst einzog", ist schlicht Unsinn. Grenzporto und Frankierung auf fremdes Gebiet (etwa mit Sachsen) kommen nicht vor.

Abgesehen von vielen falsch bzw. halb verstandenen Zusammenhängen hat sich die Autorin lediglich darauf beschränkt, auf die entsprechenden Kapitel der Dissertation von 1991 in Fussnoten zu verweisen. Eine Auseinandersetzung damit findet an keiner Stelle statt. Diese 40 Seiten sind also „neudeutsch" gesagt reines „remake", mit mehr Fehlern als die Vorlage aufwies. Warum dann aber Württemberg, Sachsen und Thurn und Taxis gar nicht behandelt werden, obwohl sie ebenfalls unmittelbare Vertragspartner Bayerns waren, bleibt ein Rätsel. Dabei wäre es sehr verdienstvoll gewesen, die komplexen und bis heute nicht sauber aufgearbeiteten Verhältnisse zwischen Bayern und Thurn und Taxis vorzulegen. Doch dazu wäre eine Reise in das Archiv in Regensburg notwendig gewesen. Komplexe Transitverhältnisse werden ohnehin weitgehend gemieden, obwohl die als Paradebeispiele für das Verhältnis von Politik und Post hätten dienen können. Die Kapitel „Post und Öffentlichkeit", „Post und Wirtschaft" sowie „Ringen um den Postverein" sind aus altbekannter Literatur referiert mit wenig eigenem Profil. Auch hier fehlen diejenigen Forschungsergebnisse, die interessante und anschauliche Detailaspekte geliefert hätten. Die Bemühungen der Augsburger Handelshäuser um einen Anschluss an den italienischen Kurs zur Börse nach Hamburg mittels eigener Estafette sind ebenso unbekannt wie die Mitfinanzierung der Tiroler Händler an dem Mailänder Estafettenkurs. 
Insgesamt ist die Arbeit von sehr geringem Interesse, da sie keine wesentlichen neuen Erkenntnisse zu bieten hat.