Der preussisch-französische Postvertrag von 1858

Versuch einer Übersicht der verwendeten Verrechnungsstempel für Transitkorrespondenzen

(Eine frühere Fassung dieses Artikels war 1982 Vorlage für einen Vortrag bei der Arge Preussen; anschliessend erschien davon eine englische Übersetzung in der Zeitschrift der «German Philatelie Society» in England)

I Die Zeit vor 1858
Der Postverkehr zwischen Preussen und Frankreich konnte erstmals 1817 durch einen Vertrag geregelt werden. Schon 1803 gab es von preussischer Seite Verhandlungen mit Frankreich, dies in direkter Konkurrenz zu Thurn und Taxis, welche schon im Dezember 1801 einen erfolgreichen Vertrag abgeschlossen hatten. Dieser Vertrag, sowie die Entsendung eines Taxis-Agenten waren mit die Ursache, dass nach verschiedenen Bemühungen und Vertragsentwürfen von Preussen das Handtuch geworfen wurde. Der preussische Unterhändler, Postdirektor Eversmann aus Emmerich beurlaubte sich im Mai des Jahres 1804.
Nach der Niederlage Napoleons und dem darauffolgenden Wiener Kongress nahm Preussen am 1. Juli 1816 wieder Besitz vom Überrhein und dem Grossherzogtum Berg. Am 1.1.1817 erlangte Preussen über diese Gebiete die Posthoheit.
Der Vertrag von 1817 fand ab 1. Mai 1818 seine Anwendung und befasste sich erstmalig mit der Transitkorrespondenz. Art. 13 und 16 bestimmten den Frankozwang für durch Frankreich transitierende Korrespondenzen nach Spanien, Portugal usw. . . ., bis zum Ausgang der französischen Grenze. Französische Korrespondenz im Transit durch Preussen nach Russland und Polen unterlag dem Frankozwang bis Thorn bzw. Memel.
Die zu verwendenden Stempel T.P. (Transit Prusse), Vorläufer der Verrechnungsstempel, wurden vom Medailleur Loos in Berlin geliefert: die 6 Stück waren vorgesehen für die GrenzpostÄmter Memel, Thorn, Neidenburg, Slupce, Krotoschin und Kempen. Tatsache ist aber, dass wir Stempel aus der ersten Auslieferung nur in Aachen und Strzalkowo vorgefunden haben.

Spätere Zuteilungen finden wir für die Grenzpostämter Aachen, Saarbrücken und Berlin in abweichende Typen. Auch der Zusatz-Vertrag vom 1.3.1837 brachte diesbezüglich keine Änderung.

Abb. 1: Brief vom 23.10.1843 aus Warschau nach Paris, über Berlin, rückseitig Datumstpl. vom 26/10 sowie vs L2 FRANCO/ POLN:PREUSS:GRZ:, weiter über Aachen, dort mit Stempel «TP», (Transit Prusse) zweite Type versehen

Erst der Vertrag vom 11.8.1847, in Kraft gesetzt am 1.1.1848 bringt Ausführliches über Transitkorrespondenz. Sie wird in 3 Klassen eingeteilt, und zwar: 1. Briefe zwischen Preussen und fremden Ländern im Transit durch Frankreich. 2. Briefe zwischen Frankreich und fremden Staaten im Transit durch Preussen. 3. Briefe aus und nach fremden Ländern durch das Gebiet beider Staaten (Frankreich und Preussen) transitierend. Obwohl in diesem Vertrag nur die Portosätze entscheidend sind, und man auf extra Stempelung verzichtete, gibt die Aufteilung schon Aufschluss über den 1858er Vertrag. Nach dem 1853er Vertrag (mit wenig Änderungen für Transitkorrespondenz) war es schliesslich der Postvertrag vom 1. Juli 1858, der die Behandlung der Transitkorrespondenz mit Verrechnungs-Stempeln regelte.

II Der Vertrag von 1858
Wir lesen im «Ausführungsreglement» vom 22.6.1858 vom Oberpost-Amt Berlin an die Oberpostdirektion in Köln, zur Weiterleitung an das Eisenbahnpostamt lOCöln-Verviers:
«Zur Kennzeichnung aller übrigen unfrankirten Briefe, für welche die eine Postverwaltung von der anderen Porto zu fordern hat, sollen - um die einzelnen Klassen dieser Briefe durch ein äusseres Merkmal leicht zu unterscheiden - die im Art. 22 des Ausführungsreglements beschriebenen Stempel in Anwendung kommen. Die zum Gebrauch der diesseitigen Auswechslungs-Post-Anstalten dienenden Stempel dieser Art (P34 bis 42) werden von hier aus rechtzeitig geliefert werden.»
Ähnliche Instruktionen sind mit grosser Wahrscheinlichkeit an alle Grenzpostämter erteilt worden. Die Erforschung der Verrechnungsstempel auf Briefen ist schwierig und kompliziert. Es existieren nur etwa zwanzig Pund fünf verschiedene F-Nummernstempel, um ca. fünfzig Verrechnungsartikel zu belegen. Von den im 1977 erschienenen Postvertragsstempel-Katalog aufgeführten Stempeln, die theoretisch bestehen sollten, konnten bisher nicht alle belegt werden. Wir bitten unsere Leser, hier nicht abgebildete Stempel zu melden. Die Verträge wurden dreimal geschlossen und in jeder Periode wurden die gleichen P- und F-Nummern ganz verschiedenen Artikeln zugeordnet. Die drei verschiedenen Perioden begannen am:
1. Juli 1858, 1. Januar 1862 und 1. Januar 1866.
Einige Briefe wurden mit P.38 und P.41 gesehen, begleitet von einem rückseitigen Zugstempel BRESLAU/BERLIN (E.P.A. Nr. 5) in der gleichen Drucktinte. Die Vielzahl der russischen Korrespondenz in dieser Periode lässt darauf schliessen, dass das preussische Eingangs-Grenzpostamt ebenfalls Briefe stempelte, um die Aachener und Saarbrücker Ämter zu entlasten. Obwohl als Stempelfarbe schwarz vorgeschrieben war, wurden einige Abweichungen entdeckt. So wurde für Aachen in der Zeit vom 9.7. bis 26.12.1866 für P.38 blau, fürs Eisenbahnpostamt Nr. 5, wie oben erwähnt, P.38 und P.41 grau und hellblau verwendet. Wir kennen zwei Briefe mit einem kleinen P.38 (umgedrehte 8) vom 4.11.1871 und 7.2.1872; die Herkunft ist unbekannt und es sind die letzten bekannten Daten für Verwendung der P-Nummernstempel.

Abb. 2: Brief von St. Petersburg, 4.11.1872 mit preussischem Verrechnungsstempel «P.38», kleinere Type (umgedrehte 8) über Saarbrücken

III Korrespondenz Preussen-Frankreich

a. Erste Vertragsperiode 1.7.1858 - 31.12.1861
Unfrankierte Briefe Transit Preussen nach Frankreich

Unfrankierte Briefe aus Preussen Transit Frankreich

Unfrankierte Briefe Transit Preussen und Frankreich







b. Zweite Vertragsperiode 1.1.1862 - 31.12.1865
Unfrankierte Briefe Transit Preussen nach Frankreich


Abb. 6: Brief von Berlin 23.6.1864 über Saarbrücken (P.36.) Transit Frankreich nach Genua

c. Dritte Vertragsperiode 1.1.1866 - ...1872
Unfrankierte Briefe Transit Preussen nach Frankreich



Abb. 7: Brief aus Kopenhagen 26.9.1866 rückseitig mit Bahnpoststempel LÜBECK/ LAUENBURG sowie Verrechnungsstpl. «7 1/2 a. P.» beide in blau, über Saarbrücken, mit Stempel «P.39» nach Bordeaux, französische Taxe: «9» Decimes

Abb. 8: Brief aus Aachen 28.1.1872 mit 2'/2 Groschen frankiert, ausreichend als Direktbrief über Ostende (seit 1.7.1870) jedoch nicht über Frankreich/Calais. Daher in Aachen gestempelt «Affranch:insuff.» sowie «P.42», letztere für unfrankierte Briefe Transit Frankreich. Dort mit Verrechnungsstempel (Vertrag GB-F) «FR/ 1F 76C» versehen, weiter nach England, wo ein Nachporto von 6" = 5 Groschen erhoben wurde 

Fortsetzung folgt