War General Bourbaki 1871 in der Schweiz interniert ?

Über die Geschichte der Internierung der Armee de l'Est während des deutsch-französischen Krieges 1870/71 gibt es viel Literatur. Bei einer Reihe von Autoren erscheinen dabei sehr oft die gleichen Fehler, woraus zu schliessen ist, dass sie einander abgeschrieben haben. In der Geschichtsschreibung wird dies zwar kaum als grosse Sünde betrachtet, zumal in der Sekundärliteratur Ungereimtheiten keine Seltenheit sind.
Die vor genau 125 Jahren erfolgte Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (CICR) und die gegenwärtige Diskussion um den Erhalt des Bourbaki-Panoramas in Luzern veranlasst mich, den nicht besonders weltbewegenden Beweis zu erbringen, dass die oft gelesene Behauptung, wonach General Bourbaki (1816 - 1897), nach seinem misslungenen Selbstmordversuch im Januar 1871, mit der Ostarmee im Februar in die Schweiz kam, falsch ist. Beispiele solcher Aussagen: «Mit der Ostarmee kam Bourbaki in die Schweiz, genas von seiner Verletzung und starb im hohen Alter von 81 Jahren», oder «der Verwundete wurde beim Übertritt des Heeres ebenfalls nach der Schweiz gebracht und dort so weit hergestellt, dass er nach Frankreich zurückkehren konnte» oder «.. fut empörte mourant ä Lyon, il survecut...». Die Encyclopedia Britannica (11. Ausgabe) präzisiert: «General Clinchant carried the wounded Bourbaki into Switzerland and he recovered sufficientely to return to France.»

Le general Bourbaki

Bei den nachfolgenden Ausführungen stütze ich mich auf das Tagebuch seiner Ordonnanz Louis d'Eichthal. Dieser war nach dem Verzweiflungsakt des Generals (Selbstmordversuch) am 27. Jan. 1871 abgereist, um Mme. Bourbaki in der Gironde abzuholen. Er verpasste sie jedoch, weil sie mit Dr. Marit, medecin inspecteur, bereits via Auxonne-Döle auf dem Weg nach Besancon war, wo beide am 1. Februar eintrafen. Zunächst aber noch der chronologische Ablauf dieses Dramas: Bekanntlich sollte die von Bourbaki in der Nähe von Besancon sozusagen «ad hoc» zusammengestellte Ostarmee der belagerten Festung Beifort Entsatz bringen. Die Operation misslang jedoch, denn die deutschen Generäle von Manteuffel und von Werder hatten frische Truppen herangeführt und waren im Begriff, die Franzosen einzuschliessen. Der Armee de l'Est blieb als Ausweg nur noch der Übertritt in die Schweiz, wollte sie nicht der Gefangenschaft anheimfallen. In dieser Lage erhielt Bourbaki von der Regierung in Bordeaux auf dem Telegrammweg laufend Vorwürfe, zu wenig schnell gehandelt zu haben. Statt eines Rückzuges wurde von ihm ein Durchbruch ins Saönetal verlangt. Der Delegierte de Freycinet hatte dabei wohl die taktischen Bewegungen der Nordarmee unter General Faidherb vor Augen, welcher es gelang, den Vormarsch der Deutschen gegen die belgische Grenze zu stoppen. Der fehlende Munitionsnachschub und die ausbleibende Verpflegung brachte die Mannschaften bei 18 Grad Kälte an den Rand der Erschöpfung und Auflösung. In dieser verzweifelten Situation hielt Bourbaki Kriegsrat und erteilte schliesslich den Rückzugsbefehl für seine Truppen über Salins nach Pontarlier. Bourbakis Nachfolger General Clinchant handelte dann am 1. Februar 1871 in Les Verrieres mit unserem General Herzog die Bedingungen für einen Übertritt der erschöpften Truppen in die Schweiz aus. Um nicht dem Vorwurf des Verrates und der Feigheit ausgesetzt zu sein, beabsichtigte Bourbaki am Abend des 26. Januars freiwillig in den Tod zu gehen. Doch, wie schon erwähnt, misslang dieses Vorhaben, weil die abgefeuerte Revolverkugel am Schläfenknochen abprallte. Sein Ordonnanzoffizier L. d'Eichthal alarmierte sofort die nähere Umgebung: General Borel, Colonel Leperche, Cdt de Massa (aide de camp), Docteur Nogues (medecinmajor 1° classe) und Cardinal Mathieu. Der ebenfalls herbeigeeilte Docteur Mathis (medecin-major 2° classe) konnte die Kugel herausoperiern. Die Verletzungen waren nicht derart, dass diese eine Hospitalisierung erfordert hätten, aber auch nicht so, dass ein Verlassen des Quartiers in Besancon mit einem Besuch der Truppen in der Schweiz überhaupt möglich gewesen wäre. Am 20. Februar fühlte sich Bourbaki dann bereits wieder so weit hergestellt, dass er in Begleitung seiner Frau, ferner des Marquis de Serres und Cdt. de Masse über Neuchätel - Geneve nach Lyon reisen konnte. Hier benützte er einige Ruhetage dazu, einen Rapport an die Regierung abzufassen, anschliessned fuhr er nach Marseille-Cette weiter. Im Juli 1871 erhielt er das Kommando über das Armeekorps in Lyon. Nach dem Erreichen der Altersgrenze 1879 wurde er dann zur Disposition gestellt. Am 22. September 1897 starb Bourbaki in Bayonne. Meine Literaturhinweise am Schluss sind für jene Leser bestimmt, welche sich eingehender in die Geschehnisse während des deutsch-französischen Krieges 1870/71 vertiefen möchten.


Bibliographie: Davall E. Major: Rapport du Dep. militaire de Pinternement des troupes francaises (Berne 1873) Secretan Ed. Colonel: L'Armee de l'Est (Attinger Neuchätel 1894) Jezler, Jezler & Bosshard: Asyl für 87'000(Classenl986) Meyer & Horat: Bourbaki-Panorama (Erpf 1981) L. d'Eichthal: Le General Bourbaki (Plon 1885) Commandant Grandin: Le General Bourbaki (Berger-Levrault Paris 1898) G. Felix: Le General Bourbaki (Cattier Tours 1898) Marquis de Massa (1912)